9. Juli 2022. Jüdisches Vermögen auf Sperrkonten - die Vorstufe zur Enteignung. Wie sich der NS-Staat jüdisches Eigentum
einverleibte. Deutsche Gerichte waren von Anfang an tatkräftig dabei, nicht erst im Krieg 1939-1945, sondern beginnend mit der Machtergreifung 1933-34-35.
9. Juli 2022. NS-Raubzug: Wie Nazis jüdische Emigranten ausplünderten. Auf der Flucht vor dem NS-Regime wurden Juden nicht nur ihrer Heimat beraubt, auch ihre gesamte Habe wurde unter anderem in Hamburg versteigert.
9. Juli 2022. Die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz. Die Verfolgung der österreichischen Juden. Über den Verkaufserlös konnte der "Verkäufer" nicht verfügen, da diese Summe auf ein Sperrkonto eingezahlt wurde. Im Falle einer Auswanderung zog die Finanzverwaltung davon die "Reichsfluchtsteuer", die "Judenvermögensabgabe" etc. ab.
9. Juli 2022. Wie sich der NS-Staat jüdisches Eigentum einverleibte. Jüdische Mitbürger wurden im Dritten Reich gezielt gedemütigt,
verfolgt und ermordet. Ihre Vermögen, Grundstücke, Unternehmen und sogar ihren Hausrat verleibte sich der NS-Staat ein. Für die sogenannte Verwertung der privaten Besitztümer beauftragten die
Finanzbehörden in der Regel Versteigerer, deren Geschäfte in dieser Zeit einen ungeahnten Aufschwung erlebten. Doch es profitierten auch weite Kreise der deutschen Bevölkerung. Im April 1933
werden jüdische Geschäfte, Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien reichsweit boykottiert. Das ist der Auftakt zu einer schrittweisen Entrechtung jüdischer Bürger. 1934 wird die bereits 1931 eingeführte Reichsfluchtsteuer gezielt gegen
jüdische Emigranten eingesetzt. Ab Ende April / Anfang Mai 1938 dürfen Juden, die auswandern, nur Hausrat mitnehmen, wenn der Staat das genehmigt hat. Für Sachen, die nach 1933 gekauft
wurden, werden 100 Prozent Steuer fällig. Am 9. November 1938 verwüsten Angehörige der Sturmabteilung (SA) und Schutzstafel (SS) Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürger. Hunderte Synagogen
werden in Brand gesetzt und völlig zerstört. Wenige Tage später, am 12. November 1938, treten die sogenannte Judenvermögensabgabe und weitere Verordnungen in Kraft, um den jüdischen Bürgern ihre
Existenzgrundlage zu nehmen. Unter anderem müssen sie ihre Gewerbebetriebe veräußern, ihren Grundbesitz verkaufen und sämtliche Wertpapiere bei einer Bank hinterlegen.
(Über dieses Thema berichtet der MDR auch in der Fernsehdokumentation "Die Versteigerer" | 13.11.2018 | 22:05 Uhr.)
9. Juli 2022. Welche Folgen hatten die Maßnahmen der Finanzbehörden und der Entzug der Staatsbürgerschaft für die Geflüchteten? Ein weiteres Beispiel aus Göttingen verdeutlicht, wie umfassend die Enteignung vor und nach der Emigration durchgeführt wurde. Innerhalb kurzer Zeit vereinnahmte sich der Staat gut die Hälfte des Eigentums der Eheleute Jacob. Dabei gingen die Behörden mit unglaublicher Akribie vor. Der Einrichtung von Sperrkonten folgte in der Regel die Festlegung der Reichsfluchtsteuer. - Nach dem Verkauf seines Hauses – das einen Gesamtwert von 90.000 RM hatte, für das er aber nur genehmigte 45.000 RM erhielt – konfiszierten die Finanzbehörden auch die gesperrten Aktiendepots des Ehepaares. - Nach dem Tausch in US-Dollar überwies die Bank im Sommer 1939 einen Scheck über 783,75 $ nach Santiago de Chile. Dieser Betrag war alles, was von den freigegebenen 33.000 RM übrig geblieben war. - Hermann und Selma Jacob hatten neben ihrem persönlichen Gepäck und dem nachgeschickten Umzugsgut pro Person 10 RM an Bargeld mit auf die Reise nehmen dürfen. Sie kamen demnach vollkommen mittellos in Südamerika an.
9. Juli 2022. Greifswalder Universitätsreden. Enteignung jüdischen
Vermögens. Neue Folge Nr. 151. Einige Juden besaßen allerdings Grundstücke in Stralsund, 1933 waren es insgesamt 32. Hierbei handelte es sich vornehmlich um
Mehrfamilienhäuser in der Innenstadt. 1938 waren auf einer städtischen Liste noch 20 Grundstücke verzeichnet. Zwei der Grundstücke erwarb die Stadt Stralsund selbst, die Hälfte der Kaufverträge
wurde nur
unter Auflagen genehmigt, bei einem Drittel der Grundstücke wurde der erste Kaufversuch abgelehnt. Angeblich sollten Grundstücksspekulanten ausgeschlossen werden.
Für das Grundstück der Synagoge war ein Einheitswert von 18.400 Reichsmark festgelegt worden, die Stadt Stralsund kaufte es für 12.000 Mark. Die Kaufsumme war bei einer für Berlin zuständigen
Devisenbank zugunsten der Reichsvereinigung der deutschen Juden einzuzahlen. Wie man weiß, wurden die Juden aus Pommern schon am 13. Februar 1940
deportiert. Sie mussten ein Formular unterschreiben, wonach sie auf ihre Vermögenswerte, wie Bankguthaben und Grundstücke, zugunsten des Reiches verzichteten. Drei jüdische Sperrkonten,
die einmal für die Finanzierung einer Auswanderung angelegt worden waren, wurden nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November
1941 zugunsten des Reiches eingezogen.
9. Juli 2022. Die Finanzverwaltung und die Verfolgung der Juden in Bayern. Neben der "Reichsfluchtsteuer", die jedem Emigranten eine Zahlung von 25 Prozent seines Vermögens abverlangte, betraf dies vor allem Zahlungen an die Deutsche Golddiskontbank (Dego) im Rahmen der Devisengesetzgebung. Wegweisend war hier ein Runderlass des Reichswirtschaftsministeriums vom 23. Juni 1934, der die Ausführung von Devisen generell auf 2.000 Reichsmark beschränkte und darüber hinaus bestimmte, dass höhere Beträge auf so genannte Sperrkonten einzuzahlen seien, von denen dann nur gegen Abschlag bestimmte Summen in Devisen transferiert werden durften. Diese Abschläge stiegen innerhalb kürzester Zeit immens: von 20 Prozent im Januar 1934 auf 65 Prozent im August desselben Jahres, um dann im Oktober 1936 bereits 81 Prozent und ab September 1939 gar 96 Prozent zu betragen. - Nachdem 1939 die Gestapo die jüdischen Sperrkonten und den jüdischen Grundbesitz übernommen hatte, kam es zu einer engen Kooperation mit den Nürnberger Finanzämtern. Aus den Sperrkonten befriedigten diese die noch ausstehenden Steuerbeträge, während die Gestapo die Immobilien zugunsten des Reiches verwertete.
9. Juli 2022. Reichsfluchtsteuer. Mit der Machtergreifung 1933 wurde sie zum Zwecke der Ausplünderung der Juden und politisch Verfolgter instrumentalisiert. Die Emigration jüdischer Bürger war von den Machthabern durchaus erwünscht. Sie bekam die „Funktion einer Teilenteignung“ der jüdischen Emigranten, die sich wegen des Verfolgungsdrucks zur Flucht aus ihrem Heimatland entschlossen hatten. Wenn die Emigration aufgrund bürokratischer Hürden scheiterte, erfolgte die vollständige Enteignung. War die Höhe des Vermögens nicht feststellbar, da es sich um Firmenbeteiligungen im Ausland handelte, geriet das Verfahren zum Stillstand und das ganze Vermögen wurde eingezogen.
9. Juli 2022 Isolierung und Deportationen in den Niederlanden. Und jüdische Vermögen mussten auf Sperrkonten bei der Bank Lippmann-Rosenthal deponiert werden – nichts anderes als die Vorstufe zur Enteignung. Dass dies noch nicht das Ende der antisemitischen Verordnungen bedeutete, war jedem Juden klar, so der Historiker Jacques Presser. Aber niemand wollte glauben, dass die Besatzer bis zum Äußersten gehen würden. Bitter fügt Presser hinzu: „Sie wussten es noch nicht.“